Geschichte Holtums

Über 1100 Jahre Holtum

Gegen 890 erscheint unter dem Namen „Holthem“ in einem Abgabeverzeichnis der Abtei Werden das Dorf Holtum erstmals. Es liegt am Hellweg, dem von Karl dem Großen 775/776 ausgebauten Heer- und Handelsweg.

Er wurde erst 1817 durch eine neue Provinzialstraße, der heutigen Bundesstraße 1 ersetzt.

Der Stadtteil Werl-Holtum ist ein westlicher Grenzort des Kreises Soest und der Stadt Werl zum Kreis und der Stadt Unna mit dessen Stadtteil Unna-Hemmerde. Alte Flurbezeichnungen „Dörgänger“ und „am Birkenbaum“ erinnern daran, dass Holtum schon zur kurkölnischen Zeit bis zum Jahr 1802/03 ein Grenzdorf zur damaligen Grafschaft Mark war. Ein Hochgericht der Grafen von Arnsberg auf dem Bürmannshof, welches vor Ablauf des 13.Jahrhunderts dem Grafen von der Mark überlassen wurde, verhalf Holtum unter den umliegenden bäuerlich geprägten Dörfern zu einer lokalgeschichtlichen Bedeutung besonderer Art.

Bereits im Jahr 1702 wurde, urkundlich nachweisbar, der älteste „Verein“ im Dorf, die

Neue Kirche St. Agatha 1899
Neue Kirche St. Agatha 1899

Schützenbruderschaft St. Michael gegründet. Sie erbaute in mehreren Bauabschnitten von 1970-1991 eine stattliche Schützenhalle. Der 1876 gegründete Josefsverein machte es sich zu seiner besonderen Aufgabe, 1898 die St. Agatha Kapelle zu errichten und bis heute zu unterhalten. Kirche, Schützenhalle, Feuerwehrhaus und Spielplatz bilden heute einen gelungenen Dorfmittelpunkt.

Im Jahr 1565 zählte man in Holtum 39 Familien, nach dem 30-jährigen Krieg nur noch 30, deren Anzahl sich bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts wieder mehr als verdoppelte. 1939 hatte Holtum 462 Einwohner. Im Jahre 1969, als die selbständige Gemeinde Holtum im Zuge der kommunalen Neugliederung der Stadt Werl zugeordnet wurde, waren es nicht viel mehr: 486 Holtumer wurden „Städter“. Zu dieser Zeit setzte eine rege Bautätigkeit ein, deren Ende auch heute noch nicht absehbar ist und die Einwohnerzahl auf 1038 (Stand 31. 12. 2016) ansteigen ließ.

Langsam, aber stetig ergriff Holtum, wie auch alle andere ländliche Regionen in Westdeutschland, der „landwirtschaftliche Strukturwandel“, der unwiderruflich eine über 1000 Jahre gewachsene soziale Struktur in wenigen Jahrzehnten gravierend veränderte. Erwirtschaftete noch 1969 der überwiegende Teil der Einwohner sein Einkommen aus der Landwirtschaft, so sind es heute nicht einmal 1%. Das Dorf hat diesen Wandel positiv verkraftet. Viele Neubürger sind im immer noch überschaubaren dörflich geprägten Leben integriert und wissen ein „Wohnumfeld im Grünen“ mit guter Verkehrsanbindung zu schätzen.

Schüler und Lehrer vor der Kirche 1904

Vertiefende Informationen zur Geschichte Holtums

Beitrag der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der St. Agatha-Kirche in Holtum 1999 von H.J. Deisting und M. Jolk

Die Freigrafschaft Holtum, das Freigericht und der Freigrafenhof zu Ostholtum

Wenige Schritte nördlich der St. Agatha-Kapelle in Holtum bzw. im alten Ost-Holtum liegen nahe dem ehemaligen Bürmannshof die Wege Thingweg und Tiggeplass, früher Auf’m Tigge genannt. Hier im Ortsmittelpunkt gab es eine wohl weit ins Mittelalter zurückreichende Thingstätte, also eine Versammlungsstätte der dörflichen Einwohnerschaft unter freiem Himmel, wie wir das von vielen anderen westfälischen Orten her kennen. Bis um 1890 soll hier eine mit Linden bestandene und mit einer Mauer eingefasste erhöhte Fläche mitten im Dorf, nahe dem alten Freigrafenhof noch vorhanden gewesen sein. Thingstätten waren in der Regel jedoch nicht nur Versammlungsstätten zu friedlicher Gemeindeberatung, sondern hier wurde auch Gericht gehalten. Befragen wir die urkundliche Überlieferung, so erfährt man, dass das Holtumer Gericht ein Besitz der Grafen von Arnsberg war, die es mit ziemlicher Sicherheit aus der Erbmasse der Grafen von Werl erhalten hatten, denn die Arnsberger Grafen waren im Ursprung die von Werl nach Arnsberg verzogenen Werler Grafen. Damit könnte das Holtumer Gericht in die Zeit vor dem Jahre 1000 reichen!

Die Arnsberger Grafen überließen vor dem Jahre 1298 das Gericht zu Holtum dem Grafen von der Mark. So ist es auch verständlich, dass der Freigraf des märkischen Ortes Unna am 2. Juli 1298 die Güter zu Holtum, die ein Lehen der Herren von Hövel waren, vor seinem Gericht zu Gunsten des Stiftes Fröndenberg (ebenfalls in der Grafschaft Mark gelegen) aufließ! Hier sehen wir, dass zu einem Freigericht nicht nur die Blutsgerichtsbarkeit gehörte, sondern auch die Gerichtsbarkeit über Fragen des Eigentums. Zum Bezirk des Freigerichtes Holtum gehörte das Kirchspiel Büderich und teilweise auch das Kirchspiel Bausenhagen in der benachbarten Grafschaft Mark. Wenn man vom Bann der Freigrafschaft Holtum liest, der über die kölnisch-märkische Landesgrenze geht, so müssen wir wissen, dass es in dem Bereich zwischen Holtum, Hemmerde und Schafhausen die Landesgrenze jahrhundertelang strittig war und eine endgültige Festlegung (wie sie noch heute die Kreisgrenze zwischen Unna und Soest widerspiegelt) erst im sogenannten Rezess von Sönnern im Jahre 1561 erreicht wurde! Die Nachrichten über das Freigericht Holtum sind leider sehr dürftig. Erst genau 150 Jahre nach der Auflassung der Holtumer Güter im Jahre 1298 hören wir wieder etwas vom Gericht in Holtum. Am 28. Februar 1448 bestätigt der Adelige Wichard von Ense genannt Snydewint, Herr zu Niederense und Bergstraße bei Werl, seinem Landesherrn Erzbischof Dietrich von Köln, dass dieser ihm mit dem Freigrafenamt des Freistuhles (= Gerichtsstuhl) belehnt habe. Von 1449 bis 1484 ist Wichart v. Ense auch Amtsdroste der Stadt und des Amtes Werl gewesen, hat also als Richter und Amtmann bereits eine gewisse Machtfülle verkörpert. Das Freigrafenamt war damit jedoch nicht an einen ortsfremden gefallen, denn die Herren v. Ense genannt Snydewint besaßen seit 1421 den Steinhof zu Westholtum. Diesen v. Ense’schen Besitz in Holtum erbten die Herren v. Brempt zu Berge und Witten, durch die vor 1607 geschlossene Ehe mit der Erbtochter Ermgart v. Ense. Warum Wichart v. Ense nur sechs Jahre Freigraf in Holtum blieb, ist unklar. Am 3, Juni 1454 belehnte Erzbischof Dietrich v. Köln den Erenfried von der Mühlen aus einer Rüthener Adelsfamilie mit dem Holtumer Freistuhl. Der Erzbischof hatte Erenfried vorher geprüft und für tauglich befunden. Aus dieser Bemerkung können wir schließen, dass der Freigraf selber zu Gericht saß und nicht die juristischen Tätigkeiten etwa einem studierten Nichtadeligen überließ! Aus der erhaltenen Bestätigungsurkunde des Erenfried von der Mühlen gehen manche Einzelheiten hervor, die das heimliche Freigericht zu Holtum näher beleuchten. Nun schweigen die Quellen und berichten erst wieder über Ereignisse des Holtumer Gerichtes aus der Zeit des beginnenden Dreißigjährigen Krieges in Westfalen. Diesmal ist vom Freigericht keine Rede mehr, sondern wir hören von einem Kurfürstlichen Gericht oder Galgen am Birkenbaum.

Die Mauerreste im Boden bei Bürmanns Hof sowie die verschüttete Gräfte, die übrigens noch das Urkataster von 1828 zeigt, können etwas mit dem Freigrafen zu Holtum zu tun haben. Es mag sich bei diesem Gräftenhof durchaus um das wehrhafte Wohnhaus des Freigrafen gehandelt haben, das er zumindest immer dann bewohnte, wenn er zu gerichtlichen Handlungen in Holtum anwesend war.

Die bevorzugte Lage an zentraler Stelle im Dorfkern, lässt jedoch nicht unwahrscheinlich erscheinen, hier gar den untergegangenen Besitz der Adelsfamilie von Holtum zu vermuten. Sollten in diesem Gebiet einmal archäologische Grabungen möglich werden, könnten eventuell Bodenfunde diese These erhärten.

Der Bürmannshof in den 1950er Jahren
Der Bürmannshof heute

Auch in der „sagenhaften“ Geschichte taucht das Dorf Holtum auf:

Die Schlacht am Birkenbaum

Nach Franz Lotze „Sagen der Haar und Börde“

Es wird eine Zeit kommen, wo die Welt sehr gottlos werden wird. Das Volk will unabhängig sein von König und Obrigkeit, die Untertanen werden untreu sein ihren Fürsten. Nicht Treue, nicht Glauben wird mehr herrschen. Es wird dann zu einem allgemeinen Aufruhr kommen, so dass der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater steht.

In dieser Zeit wird man sich bemühen, die Glaubensätze in Kirche und Schule zu verdrehen. Auch wird man neue Bücher einführen. Die katholische Religion wird dann sehr bedrängt werden und man wird sich mit List bemühen, sie ganz abzuschaffen. Die Menschen lieben Spiel, Scherz und Lustbarkeiten aller Art um diese Zeit.

Aber dann wird’s nicht lange mehr dauern. Dann bricht ein furchtbarer Krieg aus. Auf der einen Seite werden stehen Russland, Schweden und der ganze Norden, auf der anderen Seite Frankreich, Spanien, Italien und der ganze Süden unter einem starken Fürsten.

Dieser Fürst wird von Mittag (Süden) kommen. Er trägt ein weißes Kleid mit Knöpfen bis unten hin. Er trägt ein Kreuz auf der Brust, reitet auf einem Schimmel und steigt von der linken Seite auf das Pferd, weil er mit einem Fuße hinkt. Dieser Fürst wird so kühn sein, dass ihm niemand widersteht. Groß ist seine Strenge, denn er wird alle Tanzmusik und üppige Kleidertracht abschaffen. Morgens wird er in der Kirche zu Bremen die Messe hören. Von Bremen wird er nach der Haar reiten; dort wird er mit seiner Perspektive (Fernrohr) nach der Gegend des Birkenbaumes sehen und die Feinde betrachten. Darauf wird er bei Holtum vorbeireiten.

Bei Holtum steht ein Kruzifix zwischen zwei Lindenbäumen, vor diesem wird er niederknien und eine Zeitlang mit ausgestreckten Armen beten. Darauf wird er seine Soldaten, die weiß gekleidet sind, in das Treffen führen und nach blutigem Kampfe Sieger bleiben. An einem Bach, der von Abend (West) nach Morgen (Ost) fließt, wird das Hauptmorden sein. Wehe, wehe Budberg und Sönnern in jenen Tagen!

Nach dem Kampfe wird der siegreiche Feldherr in der Kapelle zu Schafhausen an der Haar eine Anrede halten.

In einer anderen Version (zur Bonsen) heißt es:

Der Sieg am Birkenbaume aber gehört dem großen Fürsten, der aus dem Mittag (Süden) kommt. Von einem Felsen wird er niedersteigen. Und wenn die Messe in Bremen zu Ende ist, wird er seine Soldaten, die weiß gekleidet sind wie er, ins Treffen führen. Hin und her wogt das entsetzliche Getümmel. Wehe Budberg und Sönnern in diesen Tagen! Wehe Büderich! Die Birkenbäumer Schlacht wird drei Tage dauern und so blutig sein, dass ein Bach bis an den Rand anschwellen wird von Blut und dasselbe in Werl drei Fuß hoch stehen wird.

Wie lebendig diese Überlieferung noch vor gut 150 Jahren war, verdeutlicht diese Geschichte:

Am 22. 01.1854 wollen zahlreiche Büdericher gesehen haben, dass gegen Abend ein riesiges Heer, mit Infanterie, Kavallerie und zahlreichen Wagen, auf der Haar von Schlückingen nach Schafhausen gezogen ist. Das Ereignis wurde auch durch die überregionale  Presse aufgenommen und schließlich sogar durch einen, durch die Regierung beauftragten Professor untersucht.